Über den Genuss der Warenästhetik auf TikTok (abstract)
Es ist das Supermarktregal, welches die konsumkapitalistische Realität offenlegt; Milch reiht sich an Milch und doch wird zwischen diesen (nahezu identischen) Gebrauchswerten zumeist anhand einer Reihe von Inszenierungen – von der Verpackung bis zur Markenidentität – entschieden. Es ist schließlich die Ästhetik der Waren, von der die KundInnen ihren erhofften Gebrauchswert ableiten, bevor er ihnen durch den Kauf zugänglich wird. Eben diese Warenästhetik scheint sich auf sozialen Medien zunehmend zu verselbstständigen. So entstehen dort Audiovisualitäten von Waren, in denen der Kauf und der Gebrauch in den Hintergrund treten, während der Genuss an der Ästhetik dominiert; Konsumgüter werden hier in ihren sensorischen Qualitäten zur Schau gestellt, ihrer Verpackungen entkleidet, sortiert und gesammelt. Im hier geplanten Vortrag möchte ich in Rückgriff auf Wolfgang Fritz Haugs Kritik der Warenästhetik eben auf solche ‚Warenvideos‘ auf der Plattform TikTok eingehen. Die Warenvideos sollen im Rahmen dieses Vortrages anhand des medienästhetischen Ansatzes von Hermann Kappelhoff als ein Modus der Reflektion über die Begegnungen mit Waren im Konsumkapitalismus analysiert werden. In ihnen wird das imaginative Spiel der KonsumentInnen mit den (Werbe-)Versprechungen der Waren, welches durchaus die Rezeptionsform der Warenästhetik ausmacht, offengelegt. Ein solches Spiel eröffnet eine Art Möglichkeitsraum, in dem die Gegebenheiten des Lebens formbar werden und der Kauf der Ware Veränderung verheißt. Als Manifestation eines cruel optimism in Lauren Berlants Sinne bleiben die Versprechungen der Waren jedoch meist uneingelöst; der imaginierte Möglichkeitsraum schließt sich in der Konkretion des Kaufes und des Gebrauchs. In ihrem Modus der Reflektion, der eben diesen Moment der Enttäuschung aussetzt, greifen die Warenvideos also an die Krux des Verhältnisses zwischen Ware und Konsument*In. Indem die Ware sich nicht durch den Kauf einverleibt wird, können sich die Zuschauer*Innen am Genuss der Sehnsucht nach den Waren, an den noch offenen Möglichkeiten einer Optimierung durch sie, endlos ergötzen. Genau das ist der Reiz der Warenvideos auf TikTok, welche ich in meinem Vortrag analysieren möchte. Die Warenästhetik wird vom Mittel zum Zweck – von der Anregung zu konsumieren zum Konsumgut selbst.